Bei dieser Meldung werden gestandene, auf solides Fachwissen setzende Briefpostsammler möglicherweise in schiere Verzweiflung geraten. Der Fall nervt den Schreiber immer noch so sehr, daß es bei wenigen Worten bleiben soll. Postscheckbriefe – Schriftverkehr das Postscheckkonto betreffend – mußten auch nach Kriegsende wieder frankiert werden. Anfangs, bis 28.2.1946 zum alten Reichsposttarif 5 Pf, bis 31.7.1948 zur Gebühr von 10 Pf. Danach wurde diese Briefart kostenfrei; Sonderdienste (Luftpost, Einschreiben, Eil) waren jedoch zu bezahlen, die Sendung entsprechend freizumachen. So in etwa (kürzer) steht es auch im Michel-Gebührenhandbuch, 2. Auflage; leider wird dort erstere Information (Postbeginn 1945) nicht gegeben. Warum nicht? Frag Michel!
Dieses Los ist an sich erstmal kein „Dreck“ insoweit, als der Absender den Brief unter Inkaufnahme einer 5-Pf-Verschwendung (möglich, daß ihm eine 10er-Marke nicht zur Hand war) aufgegeben hat. Wichtig ist, was heute mit einer solchen Sendung im Sammelmarkt für Briefpostgeschichte geschieht. Und das läßt sich ja schon eine Weile auf den famosen Ebay-Seiten beobachten. Dort gab (und gibt) es diese Stücke immer wieder, dabei Festpreise (natürlich!) immer in dreistelliger Höhe. Hinweise an Ebay? Vergebene Mühe von Philatelie-Digital. Das ist den chicos mit den schwarzen Dollarzeichen vorm Kopf völlig egal! Bei einem Hakenkreuz auf einer Briefmarke – da wird allerdings schweres Geschütz aufgefahren: Wehret den Anfängen! Das „Böse lauert überall“…
Dieses Stück hier, mit Bleistiftnotiz „900 €“, wurde im November auf einer Auktion mit Sitz nahe des Bodensees zugeschlagen. Für 320 €. Der Beschreibungstext unter der Rubrik „Gemeinschaftsausgaben“ lautete: „Mi. 922, 1947, 15 Pfg. Ziffer als EF auf Postscheckbrief gest. ‚Ansbach 11.09.47‘, Mi.1500,-, Ausruf: 200.-“
Der Autor erfuhr von dem Verkauf und erkundigte sich. Der Auktionator gab dem zunehmend sprachlosen Anrufer bereitwillig Auskunft. Er habe sich auch gewundert, doch der Käufer habe Kopien vom Los verlangt, er kannte den Ausruf, er…. Kannte was? Nun ja, aber was wisse der Auktionator? Ja, überfrankiert, aber der Kunde entscheide. Und wenn der Kunde jetzt das Ding prüfen lasse und die Prüfung des „ja so teuren“ Beleges (übrigens, völlig überhöht vom Michel, seit Jahren schon!) eben wegen des Überfrankiertseins abgelehnt werde (was soll ein BPP-Prüfer, der sein Handwerk ernst nimmt, dafür verlangen können, auf welcher Kataloggrundlage?), wenn ihm also das Ding zurückgeschickt würde? Da wurde das Gespräch nun doch peinlich, sehr peinlich. Oder doch nur für den Anrufer?
Die 1500 Euro Michel – nehmen wie sie für den Moment ernst – stehen einzig und allein für eine Einzelverwendung auf einer Drucksache-Ausland, für nichts anderes. Diese Belege, mit echtem Stempel und echter Anmutung, sind extrem selten. Die lila 15er ist geradezu eine Mauritius unter den Nachkriegsstücken! Egal, für ein Schwärmen fehlt hier jeder Grund. Aber jeder Auktionator sollte dieses kleine Micheleinmaleins beherrschen – was ja auch anzunehmen ist. Eigentlich. Doch daß der Losbeschreibung das Detail „überfrankiert“ fehlt, was wird der Grund sein, wenn kein Versehen vorliegt?
Daß der Ausruf auf 200 Euro festgesetzt wurde, spricht ja Bände. 5 oder 10 Euro – das wäre vielleicht konform gewesen – auch zum eigenen Ansehen. Daß der Kunde den beinahe wertlosen Beleg „unbedingt“ haben wollte, wofür spricht das? Ein letztes: Es gibt solche und solche Überfrankierungen, etwa bei Infla. Da wird bei starkem Preisnachlaß im Wissen gekauft, daß die Zeitumstände völlig chaotisch, etc., waren: Der intrinsische Wert (Edwin Müller) solcher Belege ist klar erkennbar. Doch hier ist das Gefälle zwischen in großer Zahl vorhandenen richtig frankierten 10-Pf-EF von Postscheckbriefen und der einzige raren Verwendungsmöglichkeit riesig! Übrigens, der Auktionator bot so einen portorichtigen 10-Pf-„Ziffer“-Beleg an, „gegen Gebot“ . Warum nicht diese 15 Pf grün?