Berlin Mi. 109 „so super“ – Ende gut, alles gut

   Man sehe und staune!

Die alte unerträgliche Leier, wie sie eine Plattform wie Ebay gern bietet: Gestempelter „Dreck“, gepaart mit Prüfungsdreck. Das Ganze umgeben mit dem üblichen säuselnden Wortgeklingel. Doch diesmal nahm es ein gutes Ende.

Berlin, MiNr. 106-109, gestempelt. Befund-Schlegel BPP, Sofortpreis 143€ (briefmarken.klaus.weckesser)

Berlin, MiNr. 106-109, Vollstempel. Sofortpreis 90 € (kcolgnilreb). Befund Schlegel BPP . –  Auch hier Abschläge aus Berlin-Charlottenburg, der überwiegend bei diesem Satz zu findende Berliner Stempelort.

Die Gedenkausgabe zur von den Alliierten 1943 kriegszerstörten und 1905 eingeweihten  „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“ in Berlin gehört gestempelt zum Heikelsten, was Berlin „nach 1945“ zu bieten hat. Bei keinem Sondermarkensatz aus jener Zeitspanne bis 1959 ist die Diskrepanz bei der Preisbewertung für Postfrisch und Gestempelt so groß wie bei diesem Satz. Es gibt mittlerweile Postfrisch-Angebote für Mi. 106-109 für 5 bis 10 Euro – wohingegen BPP-geprüfte Gestempeltware je nach Erhaltung zwischen 90 bis 140 € bringt. Wobei zu differenzieren ist in Marken mit Stempelabschlägen aus dem Bundesgebiet und aus Berlin. Genannte Preise werden nur für „Berlin“ gezahlt, „Bund“ bringt weniger.

Die Gestempelt-Notierungen (generell) zogen in den 70ern bis in die 90er Jahren unaufhörlich davon und ließen die Postfrischpreise deutlich hinter sich. Das rief Stempelfälscher auf den Plan – bis heute. Die in den 50er Jahren noch erfolgreiche, dann –  naturgemäß –  gescheiterte Spekulation vor allem mit dem postfrischen 10-Pf-Wert in sog. „Schwenn-Paketen“ hat den Niedergang der Wertentwicklung für Postfrisch wesentlich vorgegeben.  Der allseits mit seinen bekannten Ursachen 2002 einsetzende bekannte Preisverfall hat speziell diesem Satz mit Miniauflage 300.000 Stück sozusagen den Garaus gemacht. Falzware (= ungebraucht) ist heute völlig angebotsunfähig.

  FDC, A: 148 € (fishgirl22, Ebay)

Gestempelt ist dieser Zuschlagsmarkensatz so heikel seit seinem Beginn, weil das Postfrisch-Sammeln seinerzeit eindeutig den Vorrang vor der Gestempelt-Erhaltung hatte. Was dazu führte, daß bei steigenden privaten Einkommen sämtliche Gedenkausgaben, die nach dem Block 1 („Währungsgeschädigte“) und seiner schweren Verkäuflichkeit erschienen, wie vor allem die Saarland-Sondermarken jener Jahre ratzfatz an den  Postschaltern ausverkauft waren. Nach Postgültgkeitsende 31.12.1955 entdeckte man, daß es wie von den „Glocken I- III“ oder dem „Postillion I“ (Mi. 120) kaum gestempeltes Material gab – von brauchbarer, qualitätshaltiger Sammelware  war da noch wenig die Rede! Den vollständigen „Rest“ gab dann die Entwicklung in den 90er-Jahren, die dem authentischen Gestempeltsammeln und damit den „Berlin“-Entwertungen vor denen aus dem Bundesgebiet den Vorrang gab: Was seltener von vornherein ist, genießt nun mal bei allen Sammelthemen den Vorzug – da macht die Philatelie keine Ausnahme.

Was man heute – vor allem – auf den Internetplattformen an Angeboten sieht und erlebt, sind sozusagen „Nachzuckungen“ der bisherigen Entwicklung, Unglaublich viel Zähnungs- und Stempelschrott dominiert wie üblich unbeschrieben, daneben gibt es überwiegend Bund-Erhaltung lose. FDC, natürlich aus Berlin, befinden sich wie die losen Marken im Preissog nach unten.

Brieflich, wie kaum anders zu erwarten, bietet sich Einöde. Die 10er und 20er mit Berlin-Entwertung (Ortsbrief bzw. Fernpostkarte sowie Fernbrief-Inland) werden von Auktionshäusern offenkundig gar nicht mehr für wert befunden und sind kaum zu finden – eine Markttäuschung? Gibt es davon „im geheimen“ doch mehr?  Das ist nach allem, was man inzwischen über die Ausgabe weiß, ziemlich unwahrscheinlich. Am ehesten läßt sich noch die 4+1 Pf auf Drucksache finden. Und die 30er auf Auslandsbrief? Mit echtem Berlin-Stempel? Sie ist eine der wirklich guten und wertvollen  Einzelfrankaturen der 50er Jahre.


Bund-Verwendung, Inlandsgebrauch = um 10 Pf überfrankiert. Geht bei heutiger Marktlage bzw. potentieller Sammlernachfrage gar nicht mehr! Hier lohnt allenfalls das Ausschneiden für eine Zusammenstellung von Briefstücken aller vier Marken des Satzes – hier mit Bund-Stempel. (Ausruf: 39€)


Ist leider so: Briefschrott. Vor 60 Jahren konnte dieses Stück einen Sammler vielleicht noch „anmachen“. Bund-Verwendung, überfrankierter Inlandsgebrauch, weitflächige Vergilbung des Umschlags, dieser mittig mit Bug, eine Luftpostverwendung mit postalischem, aber keinem philatelistischen Sinn: Der Luftpostzuschlag für 20-g-Briefe nach Berlin betrug 5 Pf. Zu 25 Pf gab es genügend andere Marken des Berliner Postgebietes. Immerhin: der Stempel ist echt und sein Abschlag ordentlich. So was will heute sicherlich keiner mehr, Briefpostsammler schon gar nicht, weil rausgeschmissenes Geld  (Ausruf: 49 €).


Marke rechts oben stark defekt. Aber eine portorichtige Auslandsverwendung (Schweden) im Tarif 7. Juli 1949 bis 30. Juni 1954. An sich ein schönes Bedarfsstück mit „klassisch“-guter Maschinenstempel-Entwertung. Der Markenfehler wurde vom Ebay-Anbieter „kubau1“ erwähnt. Alle übrigen oben genannten Anbieter unterließen jede genauere Beschreibung: What you see is what you get. Ausruf für dieses Stück: 19,90 €. Etwas für Sammler, die meinen, sie müßten eine Lücke füllen.

Aber zurück zu den losen Einzelmarken. Hier ist neben den losen recht seltenen 10er und 20er mit Berlin-Stempel natürlich die Marke zu 30+15 Pf-Wert der kritischste Wert. Die Marken zu 10+5 Pf und 20+10 Pf sind viel häufiger im Satz nur zu finden als lose einzeln – darum ihre hier erwähnte Seltenheit.

   Marken-Stempelschrott, für dreiste 32 €.

 

So eine Marke zu 30+15 Pf in gestempelter Erhaltung auf Ebay löste das Interesse des Beobachters aus. Warum? Weil für eine Schrottstempelqualität frech satte 32 € verlangt wurden. Das Erstaunen wuchs enorm, als er sich die Beschreibung ansah: „Schlegel tiefstgeprüft“!

Tiefstgeprüft – da erschauert das Sammlerherz! Bessere Erhaltung gibt´s schließlich nicht. Und der Blick geht zurück zu dem angebotenen Stück und man, sofern man zur leicht irritierbaren Menschengattung gehört, schluckt dreimal. Die andere Redensart lautet: Man reibt sich verwundert die Augen. Noch mehr, als –  tatsächlich und völlig unüblich bei „solchen Angeboten“ – die Markenrückseite gezeigt wird. Et voilà, das Prüfzeichen! Das Prüfzeichen? Schräger geht´s nicht! Also ab das Ganze nach Schlegel in Berlin. Wortlaut:

„Hallo, Herr Schlegel, das kann doch nicht sein, das ist doch Schrott und ein gefälschtes Prüfzeichen von Ihnen! Ebay-Anbieter 99mogli99, eBay-Artikelnummer: 143946593258.“

Die Reaktion kommt übers Wochenende postwendend:
„Hallo Herr Rittmeier,
das Prüfzeichen ist ein Witz, das müsste eigentlich der Anbieter erkennen. Zu dem Stempel kann ich nichts sagen. Den Verkäufer schreibe ich an, vielen Dank!“

Anbieter 99mogli99  hat die Marke mit dem gefälschtem BPP-Prüfzeichen innerhalb kürzester Zeit aus dem Verkauf genommen. Gut so! Danke im Namen aller Philatelisten. Allerdings ein bedingtes, nicht bedingungsloses Danke an den Händler!

Ein Wermutstropfen bleibt. Denn wie viele nachkriegsdeutsche (Komplett-)-Sammlungen existieren mit ungeprüften Stempelabschlägen bei fälschungsgefährdeten Marken der 50er Jahre – seien es die Ausgaben von Berlin, Bund – und vor allem – dem Saarland (von fraglichen Markenabteilungen aus 1945-48 soll hier gar nicht die Rede sein!)? Gehaltvolles Sammeln, das Freude machende Zusammentragen von gediegenen echten Sammelstücken, die Anschauung darüber, die philatelistische Sauberkeit –  sie alle verlangen endlich, nach so vielen sinnlos verstrichenen Jahren  eine klare Sicht- und Handlungsweise im Markt, vor allem bei den Auktionatoren. Bei Lebensmitteln verlangt Hinz und Kunz heute Qualität und Herkunftsnachweise, doch bei wertvollen Briefmarken schalten diese Konsumenten, sofern sie Sammler sind,  ihr Gehirn ab? Kann ja wohl nicht sein!

Gestempelte Marken der modernen Klassik nach 1945 verdienen die ihnen zustehende Werthaltigkeit! Und damit eine Anschauung von postgeschichtlicher Dignität  wie sie beispielsweise in der Schweiz seit jeher üblich ist! Den Schlaumeiern/Todesgräbern/Hasardeuren/Dumpfbacken muß endlich das Wasser abgegraben werden!                                   Philatelie-Digital 6-2006