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„Posthorn“-EF aus Westberlin / 8 Pf und andere

  Vorlage: Klemens Nicklaus 
Bund-Dauerserie „Posthorn“, 8 Pf, auf portorichtiger Karte aus dem Westberliner Ortsverkehr. Entwertung im SW 11, dem größten Verteilamt der Dreisektorenstadt. Ohne 2-Pf-Notopfermarke! Grund: Keine Verwendungspflicht, was Ziele betrifft, für Sendungen von/nach Großberlin, SBZ/DDR und Ausland. 

Die Resonanz auf den Ende vergangenen Dezember veröffentlichten Beitrag („8 Pf Posthorn auf Ortskarte – 2,75 € statt 50 €“) war erstaunlich: Bund-Marken, verwendet im  „westalliierten“  Berlin (WB), scheinen doch eine größere Zahl von Sammlern zu beschäftigen. Viele kennen sich da seit vielen Jahren offensichtlich gut aus, wie die Zuschriften beweisen. Diese Sammler wissen, daß Händler/Auktionatoren Bund-Sondermarken in Einzelfrankatur mit „Berlin“-Stempel gern mal teurer als normal veranschlagen. Das aber gibt und gab der Markt pauschal nicht bzw. nie her. Zu solch einem Fehlschluß  kommt es, wenn man in einem Gebiet auch noch jede „Abweichung“  als etwas Markterhebliches meint erkennen zu können und darum aus ihm preislich herauszuquetschen versucht, was nur geht. Der Blick schärft sich erst, wenn er auf das „Normale“, das „Gängige“, folglich das „Unerwartete“ fällt.

Herausragendstes Beispiel dafür ist die Berliner Ganzsachen-Postkarte P 3 (eingedrucktes Wertbild „10 Pf Arbeiter“ mit schrägem rotem „Berlin“-Überdruck).

Die lt. Michel-GA-Katalog im April 1949 erschienene und bis 31. Januar 1950 postgültige  GA-Postkarte bietet ja schon als Berliner Sammelstück eine Besonderheit, die im Sammelmarkt offenkundig immer noch wenig Beachtung erfährt. Zwei Verwendungen im Postverkehr sind möglich: a) bis 31.5.1949 im von der Post zugedachten Sinne als Karte für den tarifermäßigten Ortsverkehr innerhalb Westberlins sowie mit Ziel Ostberlin und b) vom 1.6.1949 bis Gültigkeitsende 31.1.1950 als Fernkarte. Also mit Ziel Westdeutschland (BRD) und DDR (Tarif 1.6.49-28.2.63) sowie ins Ausland (Tarife ab 7.7.49).

Indem aber ab dem 20. Januar 1950 zu diesem Zeitpunkt postgültige Berliner Postwertzeichen (PWz ab „Rotaufdruck“, GA) auch im Bundesgebiet Postgültigkeit erlangten, konnte die P 3 während max. elf Tagen (20. war ein Freitag), bis einschließlich 31. Januar, auch innerhalb Westdeutschlands Verwendung finden (wieder inkl. Ziele DDR und Ausland). Ein auktionsbekanntes Stück stammt aus der Korrespondenz des großen deutschen GA-Sammlers Th. Junker in 20b Nörten-Hardenberg/Domäne Harste). Peter Koegel (Berlin) in seinem Katalog zur Auktion vom Februar 1992 schreibt:
„P 3, 10 Pf Rotaufdruck, mit Notopfer, als Bedarfsverwendung, Abs. Oberst a.D. Junker, ab Harste über Nörtenhardenberg 25.1.50 nach Göttingen, links zwar ein Eckknick, aber kein Wort von Philatelie auf der Vorder- und Rückseite. Eine der ganz raren Bund-Verwendungen, möglich nur zwischen dem 21. und 31. Jan. 1950 – es dürfte kaum 5 Stück geben. Deshalb hier auch kein Hinweis auf Unikat!!“ Der Ausruf lag bei 1500 DM, das Ergebnis fehlt leider in den Unterlagen des Autors. Anmerkung; Der „21.1.“ müßte ein Schreibfehler sein.

  Koegel-Auktion, Febr. 1992
Berlin-Ganzsache P 3 vom 25.1.50, aus Harste/Nörten-Hardenberg nach Göttingen (Bildmängel resultieren aus Aukt.-Katalog-Vorlage; unten Teil der Klarsichtfolien-Unterbringung). 

Von allen Berliner Postwertzeichen ist die P 3 in Bund-Verwendung wegen des Seltenheitsaspektes bis heute die große Ausnahme. Denn „Bund“-Postbearbeitung  auf Sendungen mit „Berlin-Marken sind im Sammelmarkt besonders ab ca. 1960 eindeutig in der Überzahl bzw. in größerer Menge vorhanden. Was die P 3 und ihre Verwendungen  (a/b) in WB betrifft, ist die frühere Hochpreisigkeit vorbei. Wertiger ist sicherlich die Fernverwendung, zu der als Ziel auch die DDR zählt, deren Postverwaltung die  Rotaufdruckmarken anders als die vorangegangenen mit Schwarzüberdruck postalisch akzeptierte. Wie immer sind Verwendungen mit Sonderdiensten (Einschreiben, etc., Luftpost) auch bei dieser GA werterhöhend bzw. preisverstärkend.

  Foto: 68philatelie/Delcampe
Bund Posthorn, Mi. 131, Luftpostbrief von Berlin SW 11 am 14.10.52 (nebenbei: der Autor war damals exakt ein Jahr alt!) nach Hamburg. Porto: Brief bis 20 g 20 Pf, Luftpost-Inland je 20g 5 Pf (allg. Zulassung am 1.9.1948, vollständige Aufhebung des Dienstes im Inland für Briefsendungen: 14.2.90).

An Berliner Postschaltern in den fraglichen 41 Jahren Postalltag der Westsektorenstadt bearbeitete Sendungen mögen Frankierungen mit Berlin-Marken im Bundesgebiet zahlenmäßig übertroffen haben, sind aber heute im Sammelmarkt eindeutig seltener anzutreffen. Bei losen Marken ist das Bild diffuser: Da sind zum einen die „Berlin 12“-Versandstellenentwertungen mit ihrem massenhaften Klischeestempelungen, andererseits die großen Mengen an Neuheiten, die in der VS Frankfurt/M und auch im Bonner Bundeshaus bis Ende 31.12.1991 gestempelt wurden und heute, was den ersteren Stempelort betrifft, den Markt mit überschwemmen. Auch wenn im Falle Westberlins bedeutende zeitgeschichtliche Fakten ins Spiel kommen: Was seltener ist, genießt nun mal auf lange Sicht größeres Interesse und wird darum auch mehr geschätzt bzw. höher bezahlt. Westberliner Frankaturen mit Bund-Stempelentwertung – ein zeitgenössischer Verbundenheitsaspekt der westdeutschen Sammler mit dem „Markenland wider Willen“ (W. Pelikan)  – bleibt inzwischen mehr noch als früher unverkauft oder geht allenfalls zu deutlichen gesenkten Preisen weg. Kann man beklagen, ist aber so.

  Heuss I, Mi. 186; 24.11.54

Grundsätzlich genauso verhält es sich mit Verwendungen von Bund-Marken auf in Westberlin bearbeiteter Briefpost. Auch an diesen Belegen ist mit wenigen Ausnahmen nichts Besonderes. Hier fehlt sogar der „Verbundenheitsaspekt“. Beachtenswerte Stücke gibt es dennoch, wenn auch nicht annähernd in der Güte der o.g. Berlin P 3. Ab „Bund“, d.h. ab 1949 erschienene Ganzsachen sind jedenfalls nicht darunter. Wohl aber der oben gezeigte Beleg mit der 8 Pf Posthorn. Wahrscheinlich eine sog. „Reisekarte“: Man hatte als „Bundi“ das Porto beim Besuch der Sektorenstadt mitgebracht. Bundesdeutsche Marken wurden außer beim PA 12, Goethestraße, dem Sitz der Versandstelle, nie an gemeinen Westberliner Postschaltern verkauft.

Doch mit der so symbolträchtigen erste Dauerserie der Deutschen Bundespost (1.4.1950 Gründg. der Behörde ) verhält es sich bezogen auf bestimmte Marken des Satzes dann doch anders. „Posthorn“, preislich in postfrischer BPP-geprüfter Erhaltung noch immer, nach allem Abstieg, der preisliche Paradesatz von „Bund“, hat einen eigenen Nimbus. Dies auch, weil Mi. 123-38  unter allen bundesdeutschen Dauermarkensätzen mit drei Jahren und fünf Monaten die kürzeste Gebrauchszeit aufweist. 4, 10, 15, 20 und 25 Pf mochten gut geeignet sein für die gelegentliche Portoreisekasse, aber eine 70 Pf wird kaum darunter gewesen sein. Ist sie selbst in guter Erhaltung inzwischen auf Bund-LupoBrief in die USA recht häufig, muß sie auf gleicher Sendung aus Westberlin für jede „Posthorn“-Bedarfspostsammlung als große Zierde gelten.
                                                                                                               Philatelie-Digital, Jan 2024 (1)