Unbegreiflich: „Burgen & Schlösser“ selbstklebend

SK-MH BuS_hausderbriefmarke juni2016

Abb. Ebay/hausderbriefmarke 

Die Riesenrarität, das Nonplultra der modernen Bund-Markenphilatelie. Oder? Lesen Sie weiter!

Bild unten: MH 27 vom 4. Juni 1991

MH 27 sk– hansephila_de

Lose Marken sind – abgesehen von Neuheiten aus Berlin – kein Berichtsstoff von Philatelie-Digital. Die Ungeheuerlichkeit dieser Berichtsstückes jedoch zwingt zu einer kurzen Notiz. Der eine mag bei ihr ins Schwärmen kommen, vielleicht auch in Schweißausbrüche, der andere wird die Stirn runzeln. Sogar auch noch lustig ist der Berichtsgegenstand. Denn wie der Zufall es will, klärt das jüngste „Postfrisch“ – Sie wissen, die Post-Versandstellen-Kundenzeitschrift mit den saftigen Borek-Preisen für Marken und Münzen – seine Leser gerade noch zum bisher erstmals ausgegebenen Markenheftchen mit Selbstklebe-Dauermarken auf. Gemeint ist und gezeigt wird – wie erwartbar – die im Michel-Katalog mit Nr. 27 geführte Ausgabe „Sehenswürdigkeiten“ vom 4. Juni 1991.

Genau in diesem Layoutbild gibt es nun einen „Vorgänger“. Und der wurde verkauft, auf Ebay, am 10. Juni 2016, für 2509 Euro. Hier der Angebotstext:
SENSATION Versuchs-Markenheftchen Burgen Schlösser SELBSTKLEBEND gepr. Schlegel
SENSATION!
Sie bieten auf des abgebildete Versuchs-Markenheftchen „Burgen und Schlösser“. Das MH entspricht der Aufmachung dem ersten selbstklebenden Heftchen der Bundesrepublik, MH 22!
NEUESTES Photoattest Hans-Dieter Schlegel BPP
ECHT und EINWANDFREI
Es ist bisher NUR ein weiteres Exemplar bekannt! Einmalige Gelegenheit!

Das Wort steht in Anführungszeichen, weil – wer weiß es schon, wann, warum, weshalb es produziert wurde! Das Schlegel-Fotoattest sagt dazu nichts, es sagt eigentlich außer über die Echtheit des vorgelegten Stückes überhaupt nichts!  Es informiert nur, daß es zwei davon gibt! Sieh mal einer an! Bei Schlegel in Berlin weiß man also von zwei Exemplaren. Warum es sie gibt, ob oder warum nicht weitere, aus welcher wie zu erklärenden Produktion sie es gibt – kein Wort. Auch daß das Stück von höchster Besonderheit ist, läßt der Text in seiner Gediegenheit unerwähnt. Ist ja auch nicht Gegenstand der Prüfung. Was die Post dazu angeleitet hat, dieses MH wann auch immer zu produzieren, zu welchem Zweck (Versuch wegen was? Automatengängigkeit wegen was?), wie es zugehen kann, daß es die heiligen Hallen der Bundesdruckerei oder des Postwertzeichenarchivs oder, oder, verlassen konnte, um als Prüfstück auf dem Tisch des Prüferpapstes Hans-Dieter Schlegel zu gelangen,  in welcher Menge die Testmasse hergestellt wurde, warum das eine von zwei Stücken erst jetzt auftaucht? Niente, nada, nichts erfährt man, schon gar nicht vom Verkäufer. Die offensichtliche Mauritius unter den bundesdeutschen Heftchen kommt als, Zitat: „einmalige Gelegenheit“  zu seinem am 10. Juni beendeten Ebay-Angebot und wird bei zwei Geboten für 2509 Euro versteigert. Das Stück gelangt sozusagen klammheimlich auf die Ebay-Plattform – oder ging eine Pressemeldung über das womöglich herausragende, Zitat: „einmalige“ Stück heraus? – und erlebt einen Zuschlag unter Anfügung eines Fotoattestes. Wie wohl der Prüfbetrag festgelegt wurde – vor Verkauf? Eine Rätselpetitesse.

Das Ding wird über Ebay (ArtNr. 272263088571) verkauft, für hoffentlich realiter diesen Betrag und man fragt sich, angesichts der hochkarätigen Saal-Auktionshäuser, die liebend gerne so ein Sensationsstück – selbst als einzige Einlieferung – akzeptieren und präsentieren würden, möglicherweise als Titelbild ihres Kataloges, wie das gehen kann. Was mag sich der Anbieter Haus der Briefmarke mit Sitz in Darmstadt dabei gedacht haben, die Chance auch einer riesigen Außenwerbung für das eigene Unternehmen preiszugeben? Seht her, das kommt von mir, so leistungsfähig bin ich, solche gute Beziehungen zu Kunden habe ich! Bietergefechte bei Müller-Felzmann-Hanseatische-Württembergische & Co? Du meine Güte, wer braucht das denn! Bei Ebay läuft das und gut ist! Auf einer Internetplattform, deren Image durch so viele nachgewiesene Fälschungsfälle schon so viel an Renommee eingebüßt hat. Das so irrsinnig lächerlich ist in seinem Furor, noch das kleines Hitlerbildnis oder Hakenkreuz bei Angeboten zu entdecken, um das eine wie das andere mit dem amerikanischen Siegergestus auch nach 75 Jahren Umerziehung noch zu verbannen, einen völlig ausreichenden Forschungsparagraphen ignorierend!

Wäre das Ding am 1. April versteigert worden, wüßte man, worum es geht. Dieses Stück ist aber kein Aprilscherz, obgleich einem das sofort einfällt, wenn man an den Vorgang, an seine Produktion denkt,  an die Selbstwahrnehmung einer ehedem jede Sensationshascherei bzw. Aufruhr im philatelistischen Markt  vermeidenden Produktionsabteilung im Bonner Noch-Beamten-Postministerium einerseits oder in der noch staatlichen Bundesdruckerei Berlin andererseits!

Irre!

Philatelie-Digital hat die hier dargebotenen nackten Informationen an die ihm freundschaftlich verbundene BDPh-ArGe RSV zu weiteren Nutzung weitergegeben. Dort gibt es in Fragen der MH-Philatelie viel sachkundigere Leute, die sich der weiteren Eigentümlichkeit der Sache annehmen können.  Mit hoffentlich gutem (Berichts-)Ende.